Gerhard und Margarete HOEHME-Stiftung

Gerhard Hoehme

Gerhard Hoehme (1920-1989) hat in seinem vielschichtigen Werk die Grenzen des Bildes und des Bild-Raums stets aufs Neue befragt und erweitert. Mit seinen bildnerischen und plastischen Arbeiten, den Zeichnungen und Rauminstallationen leistete er einen entscheidenden Beitrag zur internationalen Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von Beginn an suchte Hoehme den Dialog mit dem Betrachter. „Relationen“ ist hier ein Schlüsselbegriff zum Verständnis des Künstlers, den es auch als zeitkritischen Denker zu entdecken gilt. Hoehmes Texte zeigen, wie intensiv seine Reflektion über Kunst, Gesellschaft und die eigene künstlerische Arbeit von Beginn an das bildnerische Schaffen begleitete. Mit Peter Brüning, Winfried Gaul, K.O. Götz, Bernard Schultze, Emil Schumacher, Fred Thieler u.a. war Hoehme einer der maßgeblichen Protagonisten des deutschen Informel. Der gestischen Malerei der 1950er und frühen 1960er Jahre vermittelte er wichtige Impulse – durch seine „Shaped Canvas“, die collageartigen Borken- oder die subtilen Schrift- und Strukturbilder.

Hoehme erforschte die materielle Beschaffenheit seiner Malmittel und ging in Bezug auf das traditionelle Format des Tafelbilds neue Wege. Schon früh interpretierte er das Bild als offenes energetisches Feld, das sich auf die Umgebung hin ausdehnt. Doch überlagert bis heute die Wahrnehmung der tachistischen Produktionsphase die Bedeutung seines späteren, überraschend experimentellen Werks. Es entwickelte sich konsequent aus den informellen Bildkonzepten heraus und entstand parallel zu Hoehmes langjähriger Tätigkeit an der Düsseldorfer Kunstakademie, an der er von 1960-1984 lehrte. Sigmar Polke und Chris Reinecke zählten hier zu seinen ersten Studenten.

Ab Mitte der 1960er Jahre begann Hoehme vermehrt mit kunstfremdem Material zu experimentieren: Er verwendete Schnittmusterbögen und Damasttischdecken als Bildhintergründe, arbeitete mit industriellen Materialien wie Kunststofffolien und farbigen Polyethylenschläuchen. (Hoehme: „Die Schnur ist die plastische Form des Heraklit´schen Denkens.“) Seine Schnurplastiken entstanden vor dem Hintergrund einer von der Studentenrevolte stark polarisierten Gesellschaft der 1960er und 1970er Jahre. Hoehmes Werke – weder eindeutig Bild noch Objekt – sind Materialisationen des „Dazwischen“.

Sein gesamtes Schaffen kreist um das Knüpfen von Beziehungen – zwischen Bild, Betrachter und Raum, zwischen materieller und spiritueller Welt. Auch da, wo er später wieder zum klassischen Tafelbild zurückkehrte, setzte er Assoziationen wie „Kontakt“ und „Verbindung“ ganz real in Form farbiger Plastikschnüre um, die am Bild befestigt sind.

Vor dem Hintergrund des Zeitgeists der 1980er Jahre (Stichworte: „Hunger nach Bildern“, junge „wilde“ Malerei), wird anschaulich, wie beharrlich Hoehme seine Konzepte über die Jahre weiterentwickelt und mit neuer Expressivität aufgeladen hat.

Susanne Rennert